Digitalisierung – (k)ein Segen für die Umwelt?

Digitalisierung – (k)ein Segen für die Umwelt?

Vor vierzig Jahren, also zur Zeit der Vinyl-Schallplatte, verbrauchte die Musikindustrie weltweit rund 58 Millionen Kilogramm Plastik. 90 % davon werden heute gespart. Downloads und Streaming brauchen keine Verpackung – dafür aber Energie. Aber wie rechnet man umweltbelastende Kunststoffe und Energieverbrauch ineinander um? Wissenschaftler nutzen dafür Treibhausgas-Äquivalente, auf Englisch Greenhouse Gas Equivalents oder kurz GHGs. Und siehe da: Während die Bilanz der Schallplatte 1977 auf 140 Millionen Tonnen GHGs endete, braucht Musik ohne physischen Träger heute mehr als doppelt so viel.

Kein Körper, aber ein Fußabdruck

Kritiker werfen der Studie Unvollständigkeit vor. Sie berücksichtige weder den Energieverbrauch für die Herstellung der Tonträger noch für die Geräte, die sie abspielen. Deutlich wird aber auf jeden Fall eines: Auch wenn Produkte heute nicht mehr greifbar sind, hinterlassen sie dennoch einen auffälligen ökologischen Fußabdruck. Um Musik in einer Cloud zu speichern und überall verfügbar zu machen, bedarf es gewaltiger Rechenzentren. Die brauchen Strom, der längst nicht überall aus erneuerbaren Energien gewonnen werden kann. Gleiches gilt für vernetzte Haushalte. Das Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit rechnet mit 1,7 Milliarden zusätzlicher Geräte im Internet of Things (IoT) bis 2025. Das macht sich nicht nur in der Klimabilanz bemerkbar, sondern auch in der Geldbörse. Bis zu hundert Euro im Jahr kann die Stromrechnung steigen, wenn Geräte ständig kommunizieren oder auf Sprachbefehle warten.

1.000.000.000.000.000 Watt für das Internet

Eine Suchanfrage bei Google verbraucht ungefähr 0,3 Watt. Kaum erwähnenswert – aber Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist. 4 Millionen Suchanfragen verarbeiten die Server von Google pro Minute. Der weltweite Energieverbrauch für den Betrieb des Internets wird auf ein Petawatt geschätzt, eine eins mit 15 Nullen. Eine Auktion bei Ebay belastet die Klimabilanz mit 18 Gramm CO2. Das ist fast nichts im Vergleich zur Kryptowährung Bitcoin. Die Verwaltung, zum Beispiel der über Bitcoin Superstar stattfindende Handel, schlägt mit 67 Terawattstunden (67 x 1012 Watt) pro Jahr zu Buche. Transparenter wird die Zahl, wenn man sie auf eine einzelne Transaktion herunterbricht: Satte dreihundert Kilowattstunden sind dafür anzusetzen. Zum Vergleich: Für die Zahlung mit einer Kreditkarte sind es nur ein bis zwei Kilowattstunden. Das Mining (Schürfen, also das Berechnen) von Bitcoin verbraucht mehr Energie als die Förderung von Gold.

Risiken erkennen, Chancen nutzen

Was lässt sich nun mit diesem Wissen anfangen? Aufhalten wird die Digitalisierung und die damit einhergehende Zunahme von Datenmengen und Energieverbrauch sicher niemand. Wenn wir uns aber der Problematik bewusst sind, werden wir auch ebenso bewusst die Chancen von Industrie 4.0, smarten Stromnetzen, Kreislaufwirtschaft und Shareconomy nutzen. Der Wettlauf um Nachhaltigkeit ist eröffnet.

Bild: Bigstockphoto.com / Industrial Man

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